Löhnberg schaut nicht weg! Demo am zerstörten Denkmal der Dreschflejel

 

Nachdem am Himmelfahrtswochenende Unbekannte das Denkmal zur Erinnerung an den Wiederstand und der Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus mutwillig zerstört haben, fand am Freitag, 03. Juni 2022, eine Demonstration an genau diesem Standort statt. Die Gemeinde hatte dazu die Straße gesperrt und es waren zahlreiche Bürgerinnen und Bürger, Vereinsmitglieder sowie Vertreter aus der Politik, wie der Erste Kreisbeigeordnete Jörg Sauer, Mitglied des Landtags Tobias Eckert und die DGB Kreisvorsitzende Limburg-Weilburg Viktoria Spiegelberg-Kamens gekommen. Insgesamt nahmen über 50 Personen an der Kundgebung teil.

Bürgermeister Dr. Frank Schmidt begrüßte zu Beginn der Zusammenkunft alle Anwesenden und bezeichnete dieses Treffen für unabdingbar, man dürfe bei solchen Taten nicht wegschauen! „Ich war fassungslos und dachte nicht, dass so etwas passieren kann.“, so Bürgermeister Schmidt. Die Nirrerschäuser Dreschflejel wollten bereits Ende der 1980er Jahre ein ähnliches Thema aufgreifen und wurden dabei von Pfarrer Runfried Schuster unterstützt. Damals sollte die Überschrift „1933-1945 in einem Dorf“ lauten. Als das Vorhaben im Dorf bekannt wurde, gab es allerdings großen Widerstand und Mitglieder der Dreschflejel wurden sogar angefeindet, daher wurde das Thema damals auf Eis gelegt. 20 Jahre später – also 2009 – wurden dann zwei Denkmäler errichtet. Der aus Holz gefertigte Ziegenbock, der ein Hakenkreuz zerstört, in Erinnerung an die Ziegenzüchter, und ein Denkmal an der Ev. Kirche in Niedershausen.

Bürgermeister Dr. Frank Schmidt verlas eine Passage aus der Abschiedspredigt von dem aufrichtigen und mutigen Ev. Pfarrer Heinrich Bender, der von August 1921 – Februar 1933 in Niedershausen tätig war, darin heißt es: „„Heil“, das ist heute ein viel gebrauchtes Wort. Wie viele politische, wie viele Jugendorganisationen grüßen einander mit diesem Worte. Das kommt daher, dass wir heute in einer heillosen Zeit leben. ….. Es gibt in dieser Welt nur ein wahres Heil, das Heil Christo….“. Das waren für die damalige Zeit mutige Worte, die Pfarrer Bender fand, so der Bürgermeister. Sein Nachfolger Friedrich Binder war dann allerdings ein „glühender“ Nationalsozialist!

In einem Zeitungsartikel des Weilburger Tageblatts vom 10.07.1933, welchen sich der Bürgermeister extra angefordert hat, ging es um das 25-jährige Bestehen des Ziegenzuchtvereins, zu dessen Gedenken die zerstörte Statue errichtet wurde. Daraus zitierte Dr. Frank Schmidt: „Eine besondere Rolle bei dem Feste spielten frühere Mitglieder der SPD, die bei dem Absingen der Nationallieder ostentativ sitzen blieben bzw. nicht die Hand hoben und mitsangen. Diese wurden sofort vom Festplatz entfernt und zwei davon in Schutzhaft genommen“. Für all diese mutigen Menschen, die für ihre Überzeugungen ins Gefängnis gegangen seien, dürfe man nicht wegschauen, das sei das Schlimmste, so der Bürgermeister.

Die Gemeinde Löhnberg, aber auch die Vereine und Verantwortlichen lassen sich so eine Tat nicht gefallen. Die Gemeinde hat daher bereits 1.000 € Belohnung für Hinweise zur Ergreifung der Täter ausgesetzt und hat dem Verein Hilfe für den Wiederaufbau zugesichert.

Tim Rohrmann, Verwaltungsrat der Nirrerschäuser Dreschfejel und stv. Vorsitzender des Vereinsrings Niedershausen (in Vertretung für den wegen Krankheit verhinderten Thomas Zipp) bedankte sich ebenfalls bei allen Anwesenden für ihr Kommen und erläuterte noch einmal die Bedeutung, der beiden, von den Nirrerschäuser Dreschflejel errichteten Denkmäler. Beide sollen an den Niedershäuser Widerstand gegen den Nationalsozialismus im Jahr 1933 erinnern. Das an der Kirche stehende Denkmal auf Kupfertafeln symbolisiert die alte deutsche Grenze, durch die durch den Nationalsozialismus ein Riss ging, sowie den Text der Original Predigt des damaligen Pfarrers Bender, in welcher er gegen das Heil der Nationalsozialisten predigte.

Das zerstörte Denkmal soll anhand des Ziegenbocks, der ein Hakenkreuz zertrümmert an den Widerstand der Niedershäuser Ziegenzüchter, welche 1933 den Hitlergruß gegenüber den Nazis verweigert haben, erinnern.

Man könne sich natürlich die Frage stellen, ob man wegen einer Holzskulptur so einen „Aufriss“ machen müsse, da man sich ständig mit Alltagsvandalismus beschäftige, doch die Antwort auf diese Frage sei eindeutig: Ja! „In diesem Zusammenhang geht es um die politische Botschaft, die von dieser Holzskulptur ausgeht“, so Tim Rohrmann.

Die Skulptur wird neu errichtet, dazu seien schon Gespräche geführt und Kontakt mit dem damaligen Künstler aufgenommen worden. Erfreulicherweise seien bereits verschiedene Vereine und auch Privatpersonen auf die Nirrerschäuser Dreschflejel zugekommen und hätten ihre Spendenbereitschaft signalisiert. Auch das zeige, dass es vielen Menschen wichtig sei, ein solches Mahnmal gegen das Vergessen wiederaufzubauen! Am Ende seiner Rede forderte er vor allem die Vereine auf, sich für eine offene, tolerante und demokratische Struktur einzusetzen, die die Vielfalt unserer Gesellschaft mit allen Facetten wiederspiegelt. „Ich freue mich schon, wenn hier wieder ein Ziegenbock als Symbol für eine Gesellschaft, die sich auf demokratische Grundstrukturen und Menschenrechte beruft, steht“, so Tim Rohrmann.

Auch Tobias Eckert, Mitglied des Landtages, war gekommen und richtete einige Worte an die Teilnehmer. „Es ist richtig und wichtig, dass die Gemeinde und die Vereine so etwas nicht einfach über sich ergehen lassen, sondern Gesicht zeigen, im wahrsten Sinne des Wortes“, so Tobias Eckert. Er hatte zudem einige Worte von der Bundesinnenministerin Nancy Faeser dabei, die er verlas. „Das Denkmals, welches in Erinnerung an Bürgerinnern und Bürger, die sich engagiert und mutig vor 90 Jahren für Demokratie, und gegen die Nazidiktatur in unserem Land eingesetzt haben, wurde aus Mitteln des Programms für Vielfalt und Toleranz gefördert. Die mutwillige Zerstörung dieses Denkmals ist keine Lappalie! Es ist kein Kavaliersdelikt!... Der Kampf gegen den Rechtsextremismus ist auch heute die größte extremistische Gefahr für unser demokratisches Gemeinwesen. …..“

Erster Kreisbeigeordneter und ehemaliger Bürgermeister von Löhnberg, Jörg Sauer, war ebenfalls nach Niedershausen gekommen und schloss sich all seinen Vorrednern an. „Es ist hier nicht nur eine Skulptur zerstört worden, sondern es wurde versucht, eine Erinnerung zu zerstören, an Menschen, die sich bereits in den 30er Jahren gegen Nationalismus, gegen Rassismus gewendet haben. Dieses Vorhaben ist aber grandios gescheitert, weil wir alle hier stehen und eben genau an diese Taten erinnern!“, so Jörg Sauer. Es müsse noch eine stärkere Sensibilisierung für Freiheit, gegen Nazis und für Demokratie erzielt werden. Am Ende seiner Rede sicherte er vom Landkreis ebenfalls Hilfe für den Wiederaufbau zu.

Herzlichen Dank noch einmal an dieser Stelle an alle, die sich die Zeit genommen haben, um das Geschehene damit unvergessen zu machen!

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